Stell dir vor, du hast ein satirisches Video gedreht und dazu auch ein kurzes Zeitungszitat benutzt. Du willst das Video auf einer Onlineplattform hochladen und es mit anderen teilen. Eigentlich ganz einfach. Doch das kann sich bald ändern. Denn Anfang Februar hat die Bundesregierung die nationale Urheberrechtsreform beschlossen.

Sie geht zurück auf eine EU-Richtlinie von 2019 und muss bis Ende 2021 umgesetzt werden. Dann sind alle Sharing-Plattformen verpflichtet, sog. Uploadfilter zu installieren, um Inhalte schon vor dem Hochladen z.B. auf Urheberrechtsverletzungen zu prüfen. Dafür haben sich vor allem Verlage, Musik und Filmunternehmen eingesetzt. Europaweit fordern Politiker*innen, die Richtlinie auf illegale und terroristische Inhalte auszuweiten.

Weil aber kein Mensch die Millionen Inhalte prüfen kann, die täglich hochgeladen werden, müssen Onlineplattformen automatische Inhaltserkennungssysteme installieren, eben die Uploadfilter. Diese basieren auf Algorithmen und erkennen Inhalte automatisch schon vor dem Hochladen, filtern sie und können sie ggf. sperren.

So funktioniert es

Jedes Foto, jedes Video, jeder Text hat bestimmte Merkmale, sog. digitale Fingerabdrücke. Der Uploadfilter erkennt diese Details schon vor dem Hochladen und vergleicht sie mit den Merkmalen von bereits veröffentlichten Werken. Shazam z.B. erkennt einen Song nach nur wenigen Tönen.

Auch das Zitat in deinem Video hat einen digitalen Fingerabdruck. Das heißt, der Uploadfilter erkennt, dass du ein Fremdzitat verwendest. Und könnte darin eine Urheberrechtsverletzung erkennen. Dein Video würde dann nicht veröffentlicht werden. Weil der Uploadfilter den Kontext des verwendeten Zitats nicht erkennen kann. Er versteht keine Satire, und weiß nicht, ob ein Zitat plagiiert ist, als Beweis dient oder ein Meme ist.

Ohne Erlaubnis geht gar nichts

Das bisher geltende Providerprivileg bedeutet, dass Sharing-Plattformen nicht für die hochgeladenen Inhalte verantwortlich sind. Erst wenn sie darauf hingewiesen werden, dass es sich um rechtswidrige Aussagen handelt, müssen die Betreiber*innen die Inhalte entfernen (Prinzip „Notice and take down“).

Nach der neuen Urheberrechtsreform müssen die Plattformen künftig schon vor der Veröffentlichung die Erlaubnis der Rechteinhaber*innen einholen, also so  etwas wie eine Lizenz. Tun sie das nicht, könnten sie schadensersatzpflichtig gemacht werden. Dann werden vor allem kleinere Anbieter*innen aus Vorsicht vor hohen Bußgeldern lieber einen Inhalt mehr löschen als unbedingt nötig. Das kann dazu führen, dass auch Dokumentationen, künstlerische und satirische Bearbeitung von Bildern, Videos und Texten im Zweifel lieber geblockt werden.

Hinzu kommt, dass jede Autorin, jeder Urheber die Identität des eigenen Werks beweisen muss, also eine Lizenz vergeben. Damit wird eine Veröffentlichung viel aufwändiger. Und vielleicht würdest auch du dann darauf verzichten, dein Video hochzuladen.

Was wird aus dem freien Internet?

Aber dürfen Algorithmen über richtig und falsch entscheiden? Dürfen sie bestimmen, was legal und was illegal ist? Können Maschinen die Grenze zwischen Beleidigung und Satire erkennen, können sie zwischen Meinung und terroristischem Aufruf unterscheiden? Oder wann ein Text als Beweiszitat verwendet wird?

Künstliche Intelligenz kann vieles leisten, aber sie darf nicht festlegen, welche Bilder, Texte, Videos und Audios veröffentlicht werden dürfen und welche nicht. Denn dann würden Maschinen unsere Informationen kontrollieren und zensieren – unsere Informations- und Meinungsfreiheit wären bedroht.

Ich empfehle: Bleibt auf dem Laufenden und informiert Euch, z.B. bei

netzpolitik.org (Plattform für digitale Freiheitsrechte)
Digitale Gesellschaft (Initiative für eine menschenrechts- und verbraucherfreundliche Netzpolitik)
Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF)
irights.info (Urheberrechte und kreatives Schaffen in der digitalen Welt)
Save your Internet (Das Internet ist in Gefahr und du kannst es retten)
European Network defending rights and freedom online (EDRI)

Eine ausführliche Broschüre zum Thema “Irrweg Uploadfilter exakt erklärt” bekommt Ihr im Shop von digitalcourage.

Hinweis: Dieser Beitrag erschien zuerst in der FCZB-Serie #SchnellErklärt