[Sarah Kuttner]
Sarah Kuttner? Ist das nicht diese permanent redende, zu allem nichts zu sagen habende Frau, die mit ihrem Erzeuger im Radio als “Vater und Sohn” auftritt? Die Frau, die zu viel, zu laut, zu effekthascherisch ohne Punkt und Komma quatscht? Die klassische Mediennervensäge, früher gerne Girlie genannt, die auf allen Kanälen brabbelt?
Mag sein, dass sie all das ist. Aber sie hat auch ein Buch geschrieben, das auf Platz Eins meiner persönlichen Liebingsleseliste gesprungen ist.
Ich habe Mängelexemplar mit Vorsicht begonnen, und auch nur, weil eine Freundin es mir, die ich nach einer Zahn-OP krank daniederlag, geliehen hatte. Alles andere war schon ausgelesen.
Voreingenommen begonnen, ohne Unterbrechung gelesen, nur ungerne aus der Hand zu legen. Zum Lachen und zum Weinen schön ist es geschrieben. Schnoddrigkeit mit Tiefgang. Das Thema: Depression. Die Angst vor dem Leben. Der Wunsch, irgendwie anders sein zu wollen. Auf keinen Fall so, wie man ist.
Mit Vorsicht gelesen, denn zu viel kam mir bekannt und beängstigend vertraut vor. Panikattacken auf dem Weg der Besserung, Tränenausbrüche bei Sonnenschein, Fluchtgedanken trotz aller Liebe … und auch das Spiel mit der Schere ist mir nicht unbekannt; auch wenn es bei mir eine mögliche Begegnung zwischen Auto und Brücke war.
Nein, eine gewisse Leichtigkeit strahlt das Buch gar nicht aus, nicht für mich, aber es hat mich manchmal getröstet, hat mir Hoffnung gemacht. In den persönlichen “Karmapolizisten” hab ich mich sofort verliebt und hoffe darauf, dass er zu meinem persönlichen Bewährungshelfer wird; die “Schwimmflügelchen” gegen den Liebeskummer hab ich wieder rausgesucht, obwohl ich schon das Seepferdchen des Lebens habe – und mein Ziel für dieses Jahr wird es sein, die “Zwischenwelt zwischen gesundem Alltag und psychiatrischer Anstalt” zu genießen.
S. Fischer Verlag. ISBN 3-10-042205-8. März 2009. 14,95 Euro