Alina guckte ratlos auf die Pinseltassen. Ob der kurze Borstenpinsel der richtige war, um dem Bild den letzten Schliff zu verpassen? Eigentlich hatte sie überhaupt keine Lust mehr, dieses blöde Auftragswerk zu beenden. Es war so mühsam, mit diesem Schnösel Hartmut klarzukommen. Und mit seiner noch schnöseligeren Frau.
Tja, leider hatte sie sich damals sehr geehrt gefühlt, als der Unternehmer bei der Sommerparty auf sie zugekommen war. Ein gemeinsamer Bekannter habe ihm Alina empfohlen, ihre Porträts seien ja sehr gelobt worden, und ob sie wohl auch seine Frau porträtieren würde – als Liebesgabe zum ersten Hochzeitstag.
Kein Problem, hatte Alina gedacht. Sie freute sich immer, neue Menschen kennenzulernen und zu erfahren, wie sie dachten und handelten. Bevor sie mit der malerei begann, unterhielt sie immer mit ihren Modellen, wollte wissen, wie es ihnen ging, worfür sie brannten, was sie für Träume und Wünsche hatten. Sie war überzeugt davon, dass hinter dem Äußeren viel mehr zus ehen war – und das wollte sie in ihren Porträts abbilden.
Doch die Gespräche mit Hartmuts Frau („Nenn mich Lorelei!“) waren äußerst anstrengend. Lorelei war jung, sehr jung und hätte fast als Hartmuts Enkelin durchgehen können. Lorelei war auch sehr selbstbewusst, sehr affektiert und leider auch sehr besserwisserisch. Sie sprach ihre Gedanken aus, bevor sie sie zu Ende gedacht hatte, gab zu allem und jedem einen meist bösartigen Kommentar ab und war komplett beratungsresistent, was geduldiges Stillsetzen betraf .
Alina versuchte bei jeder Sitzung – und sie hatten schon zehn hinter sich – hinter dem wunderschönen Gesicht und dem hohlen Kopf etwas zu entdecken, was sie malerisch porträtieren konnte.
Leichter wurden die Sitzungen auch nicht durch Hartmuts permanente Anwesenheit. Bräsig hing er auf dem blauen Sofa in Alinas Atelier, kommentierte jede Bewegung seiner Frau und beantwortete jede Frage an sie, bevor Lorelei den Mund aufmachen konnte. Alina kam sie in dem Moment vor wie ein nach Luft schnappender Koikarpfen mit ihren Daisy-Duck-Lippen in orangerot.
Lorelei und Hartmut waren einer Meinung, dass es ein besonders schönes Porträt werden sollte und hatten Alina im Minutentakt mit Anregungen versorgt. Dumm war jedoch, dass die beiden unter „ganz besonders schön“ etws sehr Unterschiedliches verstanden.
Alina seufzte, zog den Borstenpinsel aus der Pinselsammlung heraus, tauchte ihn in kackbraune Ölfarbe und setzte einen Punkt neben Loreleis Schnute auf derLeinwand: „Hier hast du dein Muttermal à la Cindy Crawford.“
Foto: Hairapetyann/Unsplash
(nach einer Idee von Christine Kämmer / ´Adventskalenderschreiben)
Alina guckte ratlos auf die Pinseltassen. Ob der kurze Borstenpinsel der richtige war, um dem Bild den letzten Schliff zu verpassen? Eigentlich hatte sie überhaupt keine Lust mehr, dieses blöde Auftragswerk zu beenden. Es war so mühsam, mit diesem Schnösel Hartmut klarzukommen. Und mit seiner noch schnöseligeren Frau.
Tja, leider hatte sie sich damals sehr geehrt gefühlt, als der Unternehmer bei der Sommerparty auf sie zugekommen war. Ein gemeinsamer Bekannter habe ihm Alina empfohlen, ihre Porträts seien ja sehr gelobt worden, und ob sie wohl auch seine Frau porträtieren würde – als Liebesgabe zum ersten Hochzeitstag.
Kein Problem, hatte Alina gedacht. Sie freute sich immer, neue Menschen kennenzulernen und zu erfahren, wie sie dachten und handelten. Bevor sie mit der malerei begann, unterhielt sie immer mit ihren Modellen, wollte wissen, wie es ihnen ging, worfür sie brannten, was sie für Träume und Wünsche hatten. Sie war überzeugt davon, dass hinter dem Äußeren viel mehr zus ehen war – und das wollte sie in ihren Porträts abbilden.
Doch die Gespräche mit Hartmuts Frau („Nenn mich Lorelei!“) waren äußerst anstrengend. Lorelei war jung, sehr jung und hätte fast als Hartmuts Enkelin durchgehen können. Lorelei war auch sehr selbstbewusst, sehr affektiert und leider auch sehr besserwisserisch. Sie sprach ihre Gedanken aus, bevor sie sie zu Ende gedacht hatte, gab zu allem und jedem einen meist bösartigen Kommentar ab und war komplett beratungsresistent, was geduldiges Stillsetzen betraf .
Alina versuchte bei jeder Sitzung – und sie hatten schon zehn hinter sich – hinter dem wunderschönen Gesicht und dem hohlen Kopf etwas zu entdecken, was sie malerisch porträtieren konnte.
Leichter wurden die Sitzungen auch nicht durch Hartmuts permanente Anwesenheit. Bräsig hing er auf dem blauen Sofa in Alinas Atelier, kommentierte jede Bewegung seiner Frau und beantwortete jede Frage an sie, bevor Lorelei den Mund aufmachen konnte. Alina kam sie in dem Moment vor wie ein nach Luft schnappender Koikarpfen mit ihren Daisy-Duck-Lippen in orangerot.
Lorelei und Hartmut waren einer Meinung, dass es ein besonders schönes Porträt werden sollte und hatten Alina im Minutentakt mit Anregungen versorgt. Dumm war jedoch, dass die beiden unter „ganz besonders schön“ etws sehr Unterschiedliches verstanden.
Alina seufzte, zog den Borstenpinsel aus der Pinselsammlung heraus, tauchte ihn in kackbraune Ölfarbe und setzte einen Punkt neben Loreleis Schnute auf derLeinwand: „Hier hast du dein Muttermal à la Cindy Crawford.“
Foto: Hairapetyann/Unsplash
(nach einer Idee von Christine Kämmer / ´Adventskalenderschreiben)