ADVENT KURZETEXTE

15. Dezember // Johanne

Foto: Kat Banachowicz/Unsplash

Ich liebe Johannisbeeren. Oma hat bestimmt zehn Sträucher in ihrem garten. Immer, wenn ich Geburtstag habe, darf ich sie pflücken. Deswegen heiße ich auch Johanne. Weil ich an dem Tag geboren bin, als die Johannisbeeren reif waren.

Heute darf ich wieder helfen, sie zu pflücken. Ganz vorsichtig muss man die Rispen mit den Fingerspitzen vom Strauch abknipsen, damit man die Beeren nicht zermatscht. Sie haben zwar eine ziemlich feste Schale,aber sie sind ganz empfindlich. Wenn ich ganz viele Beeren gepflückt und in der Hand halte, fühlen sie sich an wie feste rote Seifenblasen. So glatt, so rund und man kann in sie hineingucken und sieht die kleinen hellbraunen Kerne.

Als ich zum ersten Mal Beeren ernten durfte, hab ich leider zu fest gedrückt, und dann waren gleich zwei Johannisbeeren kaputt. Ihr Saft ist an meinen Fiungern runtergelaufen. Das fühlte sich komisch an, kalt und klebrig. Erst wollte ich die Finger nicht ablecken,aber dann hab ich mich doch getraut. Hui, waren die sauer. Aber auch süß. Oma sagt, das kommt vom Fruchtzucker. Der sei in allen Früchten. Deswegen sei Obst so lecker.

Unsere Vögel im Garten fressen die Beeren auch so gerne. Ich glaube, vor allem die Rotkehlchen und die Blaumeisen sind ganz wild darauf. Ich sehe oft in die Sträucher fliegen, da picken sie rum und fliegen mit einer Beere im Schnabel wieder weg. Aber auch den Meisen und den Rotkehlchen kenne ich noch nicht so viele Vogelnamen. Aber Oma zeigt mir viele Tiere und Pflanzen, sie kennt alle ihre Namen. Sie hat den garten ja auch schon lange und lebt im Sommer hier.

Ich glaube, Oma ist bestimmt schon fast 100 Jahre alt. Ich bin erst acht, aber ich darf Oma im Sommer immer im Garten besuchen. Manchmal übernachten wir auch hier.

Das ist schön, aber auch etwas unheimlich, weil es nachts so dunkel ist. Und weil so viele Geräusche da sind. Oma sagt, das kommt von den vielen Tieren, die in der Dunkelheit unterwegs sind: Mäuse, Füchse, Kaninchen, Fledermäuse, Spinnen, Regenwürmer.

Einen Regenwurm habe ich vorhin unter den Johannisbeersträuchern gesehen. Der hat mich angeguckt, aber als ich ihn angestupst habe, ist er sofort in die Erde zurückgekrochen.

15 Foto: Kat Banachowicz/Unsplash

(nach einer Idee von Christine Kämmer / Adventskalenderschreiben)