So roch Kino in meiner Kindheit: Sommerluft und Holzfußboden, staubiger Teppich, ein Hauch von Popkorn. Kühl ist es im Saal. Und leer. Leise rattert der Filmprojektor im Hintergrund. Draußen trubelt die Großstadt, drinnen hat die Zeit einen anderen Rhythmus. Meine Kindheit war in den 60ern. Und in dieser Zeit spielt auch die skurrile Tragikomödie von Wes Anderson.

Das Kino

Hauptstraße, fast an der Ecke Dominicusstraße. Zwei Rotbuchen säumen den kleinen Vorplatz. Unscheinbar wirkt der zweistöckige Flachbau. So muss Kino sein. Neongrüne Leuchtreklame über dem Eingang. Eine Popcorntheke, leicht schummriges Licht zwischen Tresen und Bierschrank. Eine bezaubernde Verkäuferin, hilfsbereit und charmant.

 

Das Odeon, 1950 als „Sylvias Filmbühne“ eröffnet, war das erste Berliner Kino, das englisch-srpachige Filme für das breite Publikum zeigte. Bis dahin konnten nur die englischen und amerikanischen Soldaten in ihren Militärkinos die Originalversionen sehen.

Der einzige Kinosaal hat 22 Reihen, die an diesem sonnigen Freitagnachmittag nur spärlich besetzt sind. Gut. Denn ich kann es nicht leiden, auch nicht während der Werbung, während die Schwatzdrosseln und Tratschtanten (meist weiblich) laut flüsternd aus ihrem Leben erzählen, das mich nicht interessiert.

Ich bin hier für de Werbespots, für die Filmvorschauen, für den Vorflim (ganz selten) und natürlich für den Film, den ich mir ausgeguckt habe und hier angucken will. Will darin versinken, in eine andere Welt eintauchen und mich gefangen nehmen lassen. Aber nicht von knisterndem Papier und Plappertaschen. Heute teile ich mich das Vergnügen mit einem älteren Pärchen drei Reihen vor mir, einem jungen Mann schräg rechts hinter mir und zwei weiteren Pärchen ganz hinten. Welcom to Moonrise Kingdom in Originalversion mit Untertiteln.

Nach dem Film ist Pee-Time. Die (Holz)Wände der Toilette rosa. Richtig 60er-Jahre amerikanisches Rosa. Warum wundert mich das nach diesem Film überhaupt nicht? Vielleicht weil es so wunderbar zusammenpasst.

Odeon
Hauptstraße 116
10827 Berlin
t: 030/78 70 40 19
w: http://www.yorck.de/kinos/detail/100011/Odeon

Bus: 194, 187 Dominicus-/Hauptstraße
S 41, 42, 45, 46 Schöneberg
U4 Innsbrucker Platz

Preise:  montags (Kinotag), dienstags und Mittwoch 7 €, ermäßigt 6€, donnerstags bis sonntags 8 €, ermäßigt 7 €.€

359 Sitzplätze, behindertenzugänglich

Der Film

Fähnlein Fieselschweif und seine Truppe, nein, Scoutmaster Ward und seine Jungs zelten auf einer mehr oder weniger einsamen Insel an der Küste Neuenglands mit vielen Trampelpfaden und einer zweimal täglich fahrenden Fähre. Der zwölf-jährige Sam schleicht sich nachts aus dem Lager um seine Brieffreundin Suzy, die mit ihren Eltern und drei Brüdern auf der Insel lebt, zu treffen.

Weder die Scoutmaster noch die Eltern wollen ein minderjähriges Techtelmechtel. Aber wozu ist man Pfadfinder, wenn nicht dazu, Mittel und Wege zu finden. DSam und Suzy reißen aus und schlagen ihr Zelt in einer einsamen Bucht auf. Natürlich werden sie dort gefunden und zurückgebracht. Suzy in ihre leicht durchgeknallte Familie, Sam auf die Polizeistation, wo ihn das Jugendamt am nächsten Tag abholen soll. Sam hat eine wechselhafte Karriere als Pflegekind hinter sich. Er ist ein besonderer Junge. Weil er etwas verschroben wirkt, eine Menge im Kopf hat, außerdem ist er klein, bebrillt mit leichtem Sprachfehler, nicht sportlich und scheinbar auch nicht mutig.

Aber er und Suzy lieben sich, so sehr, dass sie erneut gemeinsam ausreißen, dieses Mal mit der Unterstützung der anderen Fieselschweife – und auf die Nachbarinsel. Natürlich werden sei verfolgt, dazu gibt es ein seit Tagen angekündigtes Unwetter mit Sturm, Blitz und Donner. Bevor sich die beiden Jugendlichen am Ende der Verfolgungsjagd und ihrer Kräfte vom Kirchturm stürzen, verspricht Captain Sharp (der eine Affäre mit Suzys Mutter hat), Sam bei sich aufzunehmen.

Trotz aller Aufregung ist der Film melancholisch und ruhig. Auch wenn Suzy und Sam angekommen sind, fühlt es sich nicht nach Happy End an. Die Erwachsenen sind sich selbst so unklar und verdreht, dass sie ihren Kindern keine gute Basis geben. Diese werden, so fürchtet man, noch einige Lebenspäckchen zu tragen haben. Und es könnte sein, dass sie nicht glücklich werden. Über allem liegt die Ahnung der Hoffnungslosigkeit.

Darsteller/innen:
Sam Shakusky (Jared Gilman)
Suzy Bishop (Kara Hayward)
Social Service (Tild Swinton)
Scout Master Ward (Edward Norton)
Captain Sharp (Bruce Willis)
Cousin Ben (Jason Schwartzman)
Walt Bishop (Bill Murray)
Laura Bishop (Frances Mc Dormand)
Commander Pierce (Harvey Keitel)

Regie: Wes Anderson
Drehbuch: Roman Coppola
Schnitt: Andrew Weisblum
Kamera: Robert Yeoman
Musik: Alexandre Desplat

USA 2012, 95 Minuten