Acht Uhr morgens. SMS an meine Freundin, Lehrerin, die mit 27 Kindern in den Dortmunder Zoo fährt: “ … und viel Spaß noch, LG Katrin“. Senden, Handy in die Jackentasche. Schneller Sprint zur U-Bahn. Latte Macchiato kaufen. Der Arbeitstag kann beginnen.

[4 Stunden später]

Warum ruft mich eigentlich niemand an??? Wenigstens der Pubertist, der am ersten Ferientag endlich ausgeschlafen haben dürfte. Wo ist eigentlich das blöde Handy?

Jackentasche? Leer.
Rucksack vorne? Zahnbürste, Kugelschreiber, abgebrochener Schlüssel vom vorletzten Fahrrad …
Rucksack hinten? Vollgeschriebenes Moleskine, ein paar ungebrauchte und trotzdem schmodderige Tempotücher, übrig gebliebene Freunde des Fischers …
Rucksack rechts? alte Kinokarten, Taschenmesser, ein unleserlicher Zettel …
Rucksack innen? Portemonnaie, Stullendose, Buch, Digikamera (Unglaublich, was ich alles mithabe. Damit könnte ich ein komplettes Wochenende verbringen ohne etwas zu vermissen). Nur …

WO IST MEIN HANDY???

Fehlanzeige. Nada. Niente.

Wahrscheinlich hab ich es unten im Konferenzraum liegen lassen. Bedauernde Blicke, mitfühlende Geschichten von denen, die ihr Telefon auch schon mal vermissten.
„Ruf es doch einfach mal an!“
„Es steht auf lautlos ;-)“

Ich will es einfach nicht glauben.

Klo? Nein. Kaffeeküche? Nein. Coffeeshop? Auch nicht.

Oh oh …

Ich fühle mich auf einmal so schutzlos und allein – und zerbreche mir den Kopf, von welchem Moment an mein Handy und ich getrennte Wege gingen: In der U6 hatte ich es noch, da hab ich noch gesmst. Vielleicht ist es mir in Stadtmitte aus der Jacke gerutscht? Und jemand hat es abgegeben? Hab ich doch auch mal gemacht. Vielleicht liegt mein süßes kleines Nokia schon bei der BVG und wartet auf mich?

Zwei Warteschleifen später. „Da kann ick Ihnen leida nich helfen, jute Frau. Dat dauert, bis die Fundsachen bei uns ankommen. Die wern ersmal jesammelt. Rufen Se mal nächste Woche wieder an.“

Ah ja.

Also in den sauren Apfel gebissen und die Karte bei Telekom oder Teletubbies oder wie-die-heißen sperren lassen. Was ist das nur für ’ne blöde Idee, einer elektronischen Stimme, die einen auf Ich-bin-deine-beste-Freundin macht (kriegen Männer eigentlich einen Mann ans andere Ende der Leitung?), im Großraumbüro von meinem Verlust erzählen zu müssen – inklusive aller Kundenkartengeheimausweiskontonummerdaten.

„Ich habe Sie leider nicht verstanden. Bitte wiederholen Sie Ihr Anliegen.“

„HANDY VERLOREN! KARTE SPERREN!“ (Muss ich mir das wirklich antun? Spüre ich nicht gerade irgendwo unter meinem Papierstapel das Vibrieren meines Schätzchen?)

„Bitte warten … bitte warten … bitte warten“

„telekomkundenservicecentergutentagamapparatistholgerschiefelbeinschön
dasssiebeiunsanrufenwaskannichfürsietunwiekannichihnenhelfen?“

Es dauert nur gefühlte fünf Stunden, bis Herr Schiefelbein sich mit voller Beschreibung gemeldet und meine Daten aufgenommen hat. Für schlappe 24,94 Euro verspricht er mir, die verlorene Karte durch die Aktivierung einer neuen SOFORT zu sperren und mir diese neue SOFORT zuzuschicken. “ In drei bis fünf Werktagen müsste sie dann bei Ihnen sein.“

Oh, doch so schnell. Schade, dass mitten in diesen drei bis fünf Werktagen noch ein zweitägiges Wochenende liegt.

Und was ein Glück: „Ich sehe gerade in Ihren Unterlagen, dass Sie ja auch in zwei Wochen ein neues Handy bestellen können, weil sich Ihr Vertrag verlängert. Das können wir jetzt gleich telefonisch machen.“

„Wie lange dauert es, bis ich das dann habe?“ „Sobald der Termin erreicht ist, also in 14 Tagen, kann ich es losschicken. Dann braucht es nochmal drei bis fünf Werkta…“

AAAARRRGGGHHH

„…ge. Aber seien Sie froh, sonst müssten Sie sich ja ein ganz Neues kaufen.“

[am nächsten Tag]
26 Stunden ohne Handy. gar nicht so schlimm wie befürchtet. Nach der Rundmail an Familie und engste Freunde, Bekannte und Verwandte weiß man mich zu erreichen: gar nicht. Oder über das gute alte Festnetztelefon.

Und ich? Ich fühle mich saugut – unerreichbar und ohne Termine, die mit dem Handy ins Nirvana verschwanden – und ich kann mich leider überhaupt gar nicht mehr erinnern …